Gericht bestätigt: Videoüberwachung der Tübinger Wohnprojekte war illegal

Eine heimliche, fast vierwöchige Videoüberwachung der Wohnprojekte Schellingstraße und Ludwigstraße 15 im Juli 2016 durch die Tübinger Polizei war rechtswidrig. Dies hat das Landgericht Tübingen am 11. März 2020 in zweiter Instanz entschieden und damit einen vorhergehenden Beschluss des Amtsgerichtes aufgehoben. Die “Maßnahme stellte […] eine längerfristige Observation dar und hätte – wenn überhaupt – nur durch einen Ermittlungsrichter angeordnet werden dürfen”, erklärt das Landgericht in seinem Beschluss. Geklagt hatten die Bewohner*innen des Wohnprojektes Schellingstraße.

Die Videoüberwachung wurde von der Staatsanwaltschaft Tübingen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt im Zusammenhang mit zwei Brandstiftungen an Autos eigenmächtig angeordnet, ohne – wie rechtlich vorgesehen – eine richterliche Erlaubnis einzuholen. Die Begründung: Bei den Wohnprojekten handle es sich “um einschlägig bekannte linke Szeneobjekte”, die sich in “fußläufiger Nähe” zu einem der beiden Tatorte befänden. Die Tübinger Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht argumentierten unisono, die Überwachung der Bewohner*innen sei legal gewesen, da es sich bei ihnen nicht um Beschuldigte handle. Das Landgericht widerspricht dieser Einschätzung, zumal die “widersinnige Konsequenz wäre, dass die Observierung eines Nichtbeschuldigten geringeren rechtlichen Voraussetzungen unterläge als die Observierung eines Beschuldigten”.

Die Maßnahme habe zudem “erst recht” dem Richtervorbehalt unterlegen, da es sich um eine “längerfristige Observation sämtlicher Bewohner und Besucher der Gebäude” gehandelt habe, so das Landgericht. Amtsgericht und Staatsanwaltschaft hatten hingegen suggeriert, es habe sich um eine reine Objektüberwachung gehandelt.

“Vier Jahre nach der Überwachungsmaßnahme steht nun fest, was eigentlich von Anfang an klar war: Die Überwachungsmaßnahme war illegal”, meint Maja Urbanczyk, Bewohner*in der Schellingstraße. Nur durch Zufall hatten die Bewohner*innen der Schellingstraße erfahren, dass die Polizei eine Überwachungskamera bei einem Nachbarn aufstellen wollte. Mit Hilfe des Baden-Württembergischen Datenschutzbeauftragten Stefan Brink deckten die Bewohner*innen den Tübinger Überwachungsskandal erst auf. “Offiziell informiert, wie es gesetzlich vorgesehen ist, wurden wir nie”, erklärt Moritz Tremmel, einer der insgesamt fünf Kläger*innen. “Mit den heimlichen Überwachungsmaßnahmen, die den Betroffenen nie bekannt werden, untergräbt die Polizei den Rechtsstaat. Statt die Befugnisse der Polizei immer weiter auszubauen, muss diese endlich effektiv kontrolliert werden”, sagt Tremmel mit Verweis auf das neue Polizeigesetz in Baden-Württemberg.

Der Rechtsanwalt der Bewohner*innen und Vorsitzende der Humanistischen Union Baden-Württemberg, Dr. Udo Kauß, erklärt hierzu: “Die nach Bekanntwerden der Videoüberwachung beantragte richterliche Überprüfung zeigt, dass sich auch eine nachträgliche juristische Gegenwehr durchaus lohnen kann. Es gilt leider immer wieder aufs Neue, der Polizei klar zu machen, dass sie nicht in eigener Machtvollkommenheit über die Grundrechte von Bürgern befinden kann, auch wenn es sich um Angehörige der ihr missliebigen linken Szene handelt.”

Weitere Hintergründe und bisherige Berichterstattung zur Videoüberwachung der Wohnprojekte können auf meldestelle.mtmedia.org nachgelesen werden.

Gericht bestätigt: Videoüberwachung der Tübinger Wohnprojekte war illegal

Eine heimliche, fast vierwöchige Videoüberwachung der Wohnprojekte Schellingstraße und Ludwigstraße 15 im Juli 2016 durch die Tübinger Polizei war rechtswidrig. Dies hat das Landgericht Tübingen am 11. März 2020 in zweiter Instanz entschieden und damit einen vorhergehenden Beschluss des Amtsgerichtes aufgehoben. Die “Maßnahme stellte […] eine längerfristige Observation dar und hätte – wenn überhaupt – nur durch einen Ermittlungsrichter angeordnet werden dürfen”, erklärt das Landgericht in seinem Beschluss. Geklagt hatten die Bewohner*innen des Wohnprojektes Schellingstraße.

Die Videoüberwachung wurde von der Staatsanwaltschaft Tübingen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt im Zusammenhang mit zwei Brandstiftungen an Autos eigenmächtig angeordnet, ohne – wie rechtlich vorgesehen – eine richterliche Erlaubnis einzuholen. Die Begründung: Bei den Wohnprojekten handle es sich “um einschlägig bekannte linke Szeneobjekte”, die sich in “fußläufiger Nähe” zu einem der beiden Tatorte befänden. Die Tübinger Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht argumentierten unisono, die Überwachung der Bewohner*innen sei legal gewesen, da es sich bei ihnen nicht um Beschuldigte handle. Das Landgericht widerspricht dieser Einschätzung, zumal die “widersinnige Konsequenz wäre, dass die Observierung eines Nichtbeschuldigten geringeren rechtlichen Voraussetzungen unterläge als die Observierung eines Beschuldigten”.

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