Knast und Corona

Quelle: Crimethinc.com
Quelle: Crimethinc.com

Die ignorierte Risikogruppe: Der Umgang mit COVID-19 in deutschen Gefängnissen

28. März 2020, ABC Berlin

COVID-19 und die Schatten unserer Gesellschaft

Seit Wochen kommt das gesellschaftliche Leben immer mehr zum erliegen. Die Straßen leeren sich, Läden und Restaurants bleiben geschlossen, die derzeitige Situation spitzt sich zu und auch die Ängste vor einer Infektion sind vieler Orts spürbar. Wir haben begonnen ein Auge aufeinander zu haben und uns aus Respekt und Rücksichtnahme vorsichtig voneinander zu distanzieren.
Dabei ist klar, dass einige Gruppen mehr unter der aktuellen Situation leiden. Sei es, weil sie aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, oder weil sie aufgrund von wohnungslosigkeit oder vermehrtem Rassismus Anfeindungen ausgesetzt sind.
Dieser Text möchte einen Augenmerk auf Menschen legen, die dieser Tage noch mehr als sonst totgeschwiegen und ohne jedes Menschenrecht misshandelt und/oder eingesperrt werden. Es geht nicht um die Alten, welche in ihren Wohnheimen isoliert werden, noch um die Kranken die in Krankenh ä usern in Quarantäne gesetzt werden. All diese Menschen werden, möglichst fürsorglich behandelt, versorgt und getestet sobald die ersten stichhaltigen Indizien auf eine Infektion mit dem Virus COVID-19 vorliegen.

Aber wer fehlt denn noch? Welche Menschen sind hier nicht mit bedacht?
Es sind die Schatten unserer Gesellschaft. Obdachlose, Gefängnisinsass*innen und geflüchtete Menschen, die nun eingesperrt und komplett ignoriert werden. Für sie und Andere bringen diese Wochen eine heftige Verschlimmerung ihrer Situation. Berichtet wird darüber kaum. In diesem Text haben wir Informationen über die aktuelle Lage von Menschen gesammelt, die zur Zeit in deutschen Gefängnissen sitzen. Mehr noch als sonst, sind sie in diesen Zeit darauf angewiesen, dass wir sie nicht vergessen.

Die aktuelle Situation in deutschen Gefängnissen

Die ersten Gefängnisse in Deutschland, wie etwa die JVA Freiburg haben bereits anfang März erste Einschränkungen verhängt, Besuchszeiten wurden auf ein Minimalstes gekürzt.¹

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GG / BO – Gefangenengewerkschaft zu Corona

Ein Gespräch mit Manuel Matzke, Sprecher der GG/BO in der JVA Zeithain, Sachsen.

Gefunden auf: https://www.linxxnet.de/index.php/mitschnitte/videos/

COVID-19: Was geschieht in den europäischen Gefängnissen?

GG/BO Soligruppe Leipzig: Die Europäische Strafvollzugsbeobachtungsstelle ist ein Projekt, das von der italienischen NGO Antigone koordiniert und mit finanzieller Unterstützung des Justizprogramms der Europäischen Union entwickelt wurde. […]
Der Bericht mit Quellenangaben kann hier eingesehen werden (Englisch)

Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte: Stellungnahme COVID-19-Pandemie in Justizanstalten

GG/BO Soligruppe Leipzig: Philipp Hamedl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, dem größten österreichischen Menschenrechtsinstitut, beleuchtet in einer Stellungnahme sensible Gesundheits- und Rechtsbereiche in Zusammenhang mit COVID-19. Darin heißt es, neben Anmerkungen zur Isolation und der Einschränkung von Besuchsrechten in Justizanstalten, unter anderem:
„Da das Recht auf Leben und Gesundheit der Inhaftierten und der Justizangestellten höher gestellt werden muss, als das abstrakte Sicherheitsinteresse, sollte das Ministerium für Justiz [Österreich] verstärkt Alternativen zur Untersuchungshaft, die Umwandlung von Haftstrafen sowie die Instrumentarien der vorzeitigen Entlassung und das Verhängen von Bewährungsstrafen einsetzen bzw. für den Notfall prüfen. Hierbei ist besonders auf schutzbedürftige Gruppen wie minderjährige Insass*innen und/oder Risikogruppen, wie ältere Personen und Personen mit Vorerkrankungen zu achten.“
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Drittes Update aus der JVA Plötzensee

[…] Im Folgenden ein weiterer Bericht über die aktuellen Umstände im Knast Plötzensee, u.a in Bezug auf die Corona-Pandemie. Zum Verständnis: die JVA Plötzsee ist in zwei Bereiche geteilt, ein Teil befindet sich im Wedding (hier benannt als Knast Plötzensee), in welchem Gefangene Geldstrafen absitzen. Dort ist auch die Großküche, welche für mehrere Knäste kocht und die Wäscherei, welche für mehrere Knäste und Krankenhäuser die Wäsche macht. Der zweite Teil des Knastes befindet sich im Bezirk Charlottenburg, weswegen Gefangene vom Knast Charlottenburg sprechen (trotzdem ein Gelände, ein Knast!). Hier sitzen Langzeitgefangene.
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COVID-19 Welle in der sächsischen JVA Waldheim – Wann handelt das Ministerium?

GG/BO Soligruppe Leipzig: „Mit einem Besuchsverbot hat die JVA Waldheim bisher auf Corona reagiert. Nun gibt es trotzdem den ersten Fall im Gefängnis“ titelte die Leipziger Volkszeitung in einem heutigen Bericht..
Damit wird suggeriert, dass es sich dabei um den ersten Fall im sächsischen Vollzug handelt. Bereits am 26. März wurde ein Bediensteter positiv auf Corona getestet. Zu der betreffenden JVA wollte der Ministeriumssprecher keine Angaben machen. Nach unseren Informationen handelte es sich um einen Bediensteten der JSA Regis-Breitingen – dort wo am 25. März von Gefangenen ein Feuer gelegt wurde.

Thomas Meyer Falk aus der Sicherungsverwahrung der JVA Freiburg

11.04. Radiointerview zu den Verschärfungen für Gefangene durch Corona

https://www.freie-radios.net/101413

05.04. Corona und das Kontaktverbot – aus Gefangenensicht

Kontaktverbote im Gefängnis

Wer aus dem Leben vor den Gefängnismauern herausgerissen wird, erfährt schon in den ersten Stunden einen nahezu vollständigen Abbruch grundlegender sozialer Interaktionen. Anfänglich noch in der kahlen Zelle im Polizeirevier, Stunden später in der Zelle der Untersuchungshaftanstalt, und danach über Jahre oder Jahrzehnte in den verschiedensten Verwahranstalten, die das hiesige Rechtssystem bietet. Der Verlust der elektronischen Kommunikation ist selbstverständlich: kein Smartphone, kein Skype, kein Internet.
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01.04. Weitere Änderungen in Freiburger JVA wegen Corona

Fast täglich gibt es in der südbadischen JVA Freiburg neue Bekanntmachungen in Folge der Corona-Pandemie. Damit unterscheidet sich hier die Lage nicht von der vor den Mauern.
Finanzielle Erleichterungen – Teil 1
Zurückgehend auf einen Erlass des baden-würtembergischen Justizministeriums dürfen sich Straf – und Untersuchungsgefangene monatlich nun zusätzlich 36 Euro überweisen lassen (im Bereich Sicherungsverwahrung 48 Euro), um hiervon einzukaufen.
Was aber nur jenen helfen wird, die entsprechende Unterstützung von Familie oder Freund*innen erfahren. Welche aber selbst in vielen Fällen aktuell vor finanziellen Schwierigkeiten stehen dürften.
Ausnahmsweise ermöglicht die Justiz deshalb, den Betrag vom „Überbrückungsgeld“ abbuchen zu lassen. Das ist jene Summe, die Insass*innen durch Arbeit ansparen müssen und für die Zeit nach der Haftentlassung vorgesehen ist.
Wer jedoch Pfändungen unterliegt, dem wird die Nutzung des Ü-Geldes verwehrt.
So läuft am Ende die scheinbar so großzügige Geste für einen Großteil der gefangenen Menschen ins Leere.
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26.03. Erster Toter nach Besuchsverbot im deutschen Knastwesen!

Am 17.03.2020 wurde in der JVA Bruchsal (Nordbaden) ein 25-jähriger irakischer Gefangener, also kurz nach Inkrafttreten des Besuchsverbots wegen Corona, tot in seiner Zelle aufgefunden. In der JVA Freiburg kam es, auch in Folge der ganzen Restriktionen wegen der Pandemie, zu einer Auseinandersetzung eines 39-jährigen Sicherheitsverwahrten mit dem Personal.
Der Suizid in der JVA Bruchsal
Wie die Lokalzeitung BNN (https://bnn.de/lokales/bruchsal/alles-deutet-auf-suizid-im-bruchsaler-gefaengnis-hin) berichtete, starb ein 25-jähriger irakischer Gefangener, nachdem das Justizministerium wegen der Corona-Pandemie alle Besuche in den Haftanstalten verboten hat. Seine Lebensgefährtin hätte ihn besuchen wollen. Er habe zwar noch mit ihr telefonieren dürfen, aber es steht zu vermuten, dass das kein echter Ersatz für den entgangenen Besuch war. Der Anstaltsleiter hingegen verbittet sich jede Schuldzuweisung und sieht keinerlei Zusammenhang zwischen Suizid und Besuchsverbot.
Einzelhaft für Herrn M.
Vor einigen Wochen berichtete ich über Herrn M., dem die Stationspsychologin in einem Therapiegespräch den Hinweis gab, ihm stehe es frei sich in seine Zelle zu begeben und wegzuhängen, nachdem er sich über aus seiner Sicht bestehende Ungerechtigkeiten im Haftalltag bei ihr beschwert hatte. Diese „paradoxe Intervention“, um eine solche habe es sich laut der Diplom-Psychologin gehandelt, wobei sie sich für diese entschuldigte, führte dazu, dass sich, auch bedingt durch die Corona-Maßnahmen, das Verhältnis verschlechterte.
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19.03. Radikale Corona-Maßnahmen in JVA Freiburg

Wie zuletzt berichtet, verschärft die Justiz auch in den Gefängnissen von Tag zu Tag die Corona-Maßnahmen.
Verfügung vom 16.03.2020
Mit Verfügung vom 16.03. ordnete der Leiter der JVA an, dass nun bis auf weiteres sogenannter ‚Wochenendbetrieb‘ erfolge. Die Zellen werden erst um 08.05 Uhr statt 06.25 Uhr geöffnet. Außerdem würden die Sicherungsverwahrten ab 15:45 Uhr weggeschlossen (wo früher erst um 22:00 Uhr Zelleneinschluss war).
Allerdings seien nunmehr Fachdienste (SozialarbeiterInnen und PsychologInnen) täglich vor Ort, auch Wochenends und an Feiertagen. Der Hinweis auf Feiertage mag einen Ausblick auf die Mindestdauer geben, denn der erste Feiertag wird am 10. April sein.
Besuchsverbot
Ab sofort dürfen auch keinerlei Besuche mehr empfangen werden. Nur noch AnwältInnen werden eingelassen und dann auch nur, wenn sie dem Trennscheibenraum zustimmen (aus RAF-Verfahren sicherlich bekannt, d.h. Mandant/in und Anwält/in sitzen in verschiedenen Räumen, zwischen ihnen eine Glasscheibe).
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Diese und weitere Artikel findet ihr auf Thomas Blog.

 

Weitere Artikel und Links

Aktuelle Informationen zu den Situationen in verschiedenen Deutschen Gefängnissen und der Maßnahmen, die dort jeweilig getroffen werden:

 

Jetzt erst recht und umso mehr: Schreibt den Gefangenen!

: Hier ist ein kurzer Aufruf, der ermutigen soll, Briefe an Gefangene zu schreiben
In den letzten Tagen wurden mehrere Artikel veröffentlicht, die über die sich zuspitzende Situation in den Knästen berichtet haben. Menschen im Knast sind besonders schwer von der Corona-Pandemie betroffen. Die meisten Knäste sind überbelegt und wenn viele Menschen auf engem Raum leben müssen, ist die Ansteckungsgefahr bei Krankheiten besonders hoch. Noch dazu sind die hygienischen Umstände und die gesundheitliche Versorgung in den Knästen miserabel. Durch die Corona-Pandemie wird die Isolation in den Knästen noch verschärft: Besuche wurden auf ein absolutes Minimum reduziert oder ganz verboten. Für die meisten Gefangenen heißt das, dass die einzige Möglichkeit, Kontakte zu anderen Menschen zu haben und an Informationen zu kommen Briefe und Telefonate sind. Deswegen wollen wir alle ermutigen und auffordern, Briefe in den Knast zu schicken und zumindest kleine Risse in die Mauer der Isolation zu rütteln.
Hier findet ihr Informationen, wie ihr an Gefangene schreiben könnt und was ihr beachten müsst & auch eine Liste mit Adressen von Gefangenen:
https://abcleipzig.noblogs.org/gefangenen-schreiben-write-to-prisoners/
Unter anderem hier findet ihr noch weitere Adressen von Gefangenen
https://www.abc-wien.net/?page_id=4102
Schreibt Briefe und Postkarten an unsere Freund*innen und Gefährt*innen im Knast.
Break the Isolation! Gegen alle Knäste und Lager!
Unsere Solidarität ist stärker als ihre Repression!

 

Bericht der WHO zur Vorbeugung und Behandlung von Corona in Gefängnissen

Dieser Bericht unterstreicht die besondere Gefährdung von Menschen in Gefängnissen und anderen geschlossenen Institutionen, problematisiert diese allerdings hauptsächlich als Sicherheitsproblem bzw. als Problem der öffentlichen Gesundheit (public health) im allgemeinen.

 

#COVID19: Revolt at #Aluche Deportation Prison in #Madrid, #Spain

Madrid. March 18, 2020. Prisoners of the Aluche Internment Center for Foreigners (CIE) staged a revolt this afternoon by climbing the roofs of the men’s patio roof and announcing the beginning of a hunger strike, concerned that some of them present symptoms of coronavirus. […]
They consider that they are not being “treated as human beings” in the face of the humanitarian emergency that the Spanish State is going through. “Having a worldwide pandemic, our state of health is in great danger. There are many inmates with symptoms of this pandemic known as coronavirus,” they denounced in a letter accompanied by two sheets that add up to almost a hundred and a half signatures.

 

[Die vom Kreuz] Alle müssen raus! Freiheit für Kevin und die anderen!

Es ist keine Neuigkeit, dass die Gesundheitsversorgung in den Knästen katastrophal ist. Zuletzt machte die JVA Chemnitz durch die Nicht-Behandlung von an Tuberkulose Erkrankten auf sich aufmerksam1.Im Kontext von Covid-19 gewinnt der verantwortungslose Umgang der Knäste mit der Gesundheit der Eingesperrten an Sprengkraft: Knapp 66.000 Strafgefangene sind in deutschen Knästen eingepfercht – oft unter miserablen hygienischen Bedingungen. Dass die Herrschenden trotz ausgebrochener Pandemie an dieser Praxis festhalten, kommt für unzählige Gefangene einem Todesurteil gleich.Einer der Gefangenen in der JVA Leipzig ist Kevin. In der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz wurde er von einem Bullen angegriffen und kurz darauf brutal verhaftet. Während die anderen Gefangenen dieser Nacht mittlerweile gegen Auflagen entlassen wurden, sitzt er noch immer in Untersuchungshaft.

„Kevin sitzt für uns alle ein! Uns vom Solikomitee 31.12. interessiert dabei nicht, ob er nach der widerlichen Logik des Staates schuldig oder unschuldig sein soll. Ohnehin rechnen wir unter den derzeitigen Bedingungen nicht in naher Zukunft mit einem Prozess.“, so Sprecherin Anja Schwerthoff.

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